Konzeption zur Wächterschaft von Atommüll
“Because we never know for sure how the future will turn out, it makes sense to focus on what we’d like to have happen, and then to do our bit to make it more likely”
(Joanna Macy, Chris Johnstone in “Active Hope”, New World Library, 2012)
Die Grundlagen dieser Konzeption basieren auf dem Wissen um die Verbundenheit und der gegenseitigen Abhängigkeit allen Lebens, der Achtung, der Würde und der Wertschätzung aller Lebensformen. Die Durchführung gelingt nur, wenn wir fähig sind zu lieben.
Wir hinterlassen mit dem Atommüll künftigen Generationen für Hunderttausende von Jahren ein tödliches nukleares Erbe; die Halbwertszeit von Plutonium beträgt ca. 24.000 Jahre, die von Neptunium, einem Nebenprodukt der Energiegewinnung in Kernreaktoren, 2,1 Millionen Jahre. Der Atommüll existiert. Er ist aus unserem und dem Leben unserer Nachfahren nicht mehr weg zu denken. Eine Diskussion darüber, ihn aus der Welt zu schaffen oder ihn zu verhindern, erübrigt sich.
Neue Techniken wie z.B. die der sogenannten Partitionierung und Transmutation (P&T) sind, wenn überhaupt, nur begrenzt nutzbar und bisher über Laborstudien nicht hinausgelangt. Sie sollen zwar die Halbwertszeit der Strahlung verkürzen, aber die technische Realisierbarkeit stößt nach wie vor auf viele Hindernisse und erspart uns nicht die Isolation der radioaktiven Abfälle von der Biosphäre.
Daraus ergeben sich politische Forderungen:
- Alle Atomkraftwerke sind sofort abzuschalten. Der Abbau hat zügig zu erfolgen. Die geplanten Atomkraftwerke dürfen nicht weiter gebaut werden.
- Der Abbau von Uran und die Produktion von Uran-Brennstäben, Atomwaffen und anderem nuklearen Material gehören unmittelbar eingestellt.
- Die Produktion von abgereichertem Uran (ein „Abfallstoff“ bei der Urananreicherung) – Depleted Uranium – und damit der Einsatz von Uranmunition ist zu verbieten. Die freiwerdende Strahlung von Uranmunition hat eine Halbwertszeit von 4,5 Mrd. Jahren und schädigt als Feinstaub den menschlichen Körper (Einsatzgebiet z.B.: Irakkrieg)
- Die Verantwortung für die Lagerung und Bewachung von Atommüll gehört in die Hände von unabhängigen „Non-Profit-Organisationen“ entsprechend unserer Projektidee zur „Wächterschaft von Atommüll“, eingebunden in einen „Generationenvertrag“, der von Generation zu Generation neu geschlossen wird.
Mit diesen politischen Forderungen ist allerdings noch keine Lösung für den Umgang mit dem vorhandenen nuklearen Material gefunden, wobei eine „Lösung“ nur für jenen Atommüll angestrebt werden kann, der zurzeit „noch erreichbar“ ist.
Unzählige Tonnen von Atommüll vergiften bereits weite Regionen der Erde wie z.B.:
- Atommüll im Pazifik westlich von San Francisco, im Johnston-Atoll vor Hawaii, Verseuchung durch Versuche mit Kernwaffen und Wasserstoffbomben, z.B. im Bikini-Atoll in den 1950er und 1960er Jahren und anderen Teilen des Pazifik sowie durch die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.
- Atommüllverklappung im Atlantik, im Ärmelkanal und im Eismeer oder in Bergwerken wie Asse oder Hanford im Bundesstaat Washington, USA.
- In Asse lagern rund 126.000 Atommüllfässer, täglich dringen 12.000 Liter Wasser ein. „Die Rückholung entwickelt sich immer mehr zur Mission Impossible.“ Michael Sailer, Vorsitzender der Entsorgungskommission (ESK) des Bundes, Berater der Bundesregierung in „Spiegel-Online“ am 22.09.2012
- Unfälle mit radioaktivem Material (z.B. Harrisburg in den USA, Sellafield in Großbritannien, Semipalatinsk in Russland)
- durch den Untergang von atomgetriebenen U-Booten im Nordpolarmeer
- durch Super-GAU’s von Atomkraftwerken in Tschernobyl und Fukushima
Entsorgungskonzepte der vergangenen Jahre konzentrieren sich auf die fünf „V“:
„Verdünnen, Verteilen, Vergraben, Versickern und vor allem Versenken.“
(Manfred Kriener: „Weg! Weg!! Weg!!! In der „Zeit“ vom 13.09.2012)
Der Zeitraum über den das nukleare Material alles Leben tödlich bedroht übersteigt jegliches menschliche Vorstellungsvermögen. Ein Rückblick in die bisherige Menschheitsgeschichte lässt uns allenfalls ahnen, welche kulturellen Normen und Wertvorstellungen zu Beginn der menschlichen Entwicklung und in den darauffolgenden Jahrtausenden maßgebend waren. Einige der „Heiligtümer“ oder Orte, Skulpturen und Bauten, von denen wir annehmen, dass sie eine besondere Bedeutung hatten, blieben uns erhalten – so wie die Steintafeln der Sumerer, die Pyramiden, die Skulpturen und Tempel der Olmeken in Mexiko, Plätze wie Stonehenge, der Uluru in Australien oder der Kailash im Himalaya. Das Wissen um die Bedeutung die für unsere Vorfahren damit verbunden war, ist weitgehend verloren und nur bruchstückhaft z.B. durch Mythen oder Legenden noch zugänglich. Wir reden hier von 10 – 30.000 Jahren vor unserer Zeit. Um wie viel länger ist die Halbwertszeit der radioaktiven Strahlung? Wie können wir das Wissen über die Gefährlichkeit der Radioaktivität, über die Orte der Lagerung radioaktiven Materials und über die bereits kontaminierten Flächen über so lange Zeit erhalten, damit unseren Nachfahren diese Informationen nicht verloren gehen? Wie muss die Kommunikation darüber gestaltet werden? (vgl. Anlage 2)
Verantwortung und Wächterschaft:
Angesichts dieser unvorstellbar langen Zeitdimensionen erscheint ein Projekt zur Wächterschaft von Atommüll undurchführbar, ja illusorisch. „Trotz alledem“ ist vor allem nach Fukushima die Zeit reif, die Idee eines Wächterschaftsprojekt neu zu beleben und uns so der Verantwortung für das „giftige Erbe“ zu stellen, das wir unseren Nachkommen und allen Lebewesen hinterlassen. All jene engagierten Menschen, die bereits seit Jahren eine Form von „Wächterschaft“ an den verschiedensten Standorten von Atommülllagern praktizieren, auch wenn sie nicht von „Wächterschaft“ reden, möchten wir mit dieser Idee würdigen und unterstützen. Zusätzlich möchten wir alle Menschen, die interessiert sind, einladen, sich über die Wächterschaft zu informieren und daran teilzuhaben. Für künftige Generationen ist es unerlässlich, dass die radioaktive Strahlung von der Biosphäre ferngehalten wird. Dies gelingt nur, wenn wir die Informationen dazu nicht verdrängen.
„Liebe Kinder,
wir die Generation nach dem Zweiten Weltkrieg, haben, wie es aussieht, so ziemlich alles für uns selbst verbraucht. Wir haben aus unserer Industrieproduktion bald alles rausgeholt, was möglich war, und da ist jetzt nicht mehr viel für Euch drin... Die Sache ist nur, dass alles, was wir gebaut haben, ziemlich genau auf unsere Lebenserwartung abgestimmt war... Wir haben unsere Rohstoffreserven nach besten Kräften aufgezehrt, ohne uns groß um nachwachsende Rohstoffe zu kümmern, aber für gut eine Woche wird es wohl noch reichen... Das einzig wirklich Haltbare, was wir gebaut und produziert haben, sind die Giftmülldeponien und die Hinterlassenschaften des Atommülls. Die könnt ihr haben. Am besten, Ihr fasst Euer Erbe als Herausforderung auf. Die Herausforderung, bei Null anzufangen. Ihr könnt gleich loslegen, sobald – ach ja, noch eins – sobald Ihr die Zig-Billionen Dollar Schulden getilgt habt, die wir Euch hinterlassen.
Eure Eltern“
(zit. nach Ph. D. Joanna R. Macy in „Die Wiederentdeckung der sinnlichen Erde“, 1994)
Erste Schritte auf der politischen Ebene, Verantwortung zu übernehmen sind unter anderem: Die eingangs formulierten politischen Forderungen in Demonstrationen, Aktionen und vielfältigen Widerstandsformen – wie sie bereits seit vielen Jahren stattfinden - in der Öffentlichkeit ständig bewusst zu machen und sich möglichst breit (Internet, Medien) in die aktuelle Diskussion um die sogenannte (End-)Lagersuche einzumischen. Der Begriff „Endlager“ ist dabei widersinnig. Der Atommüll überdauert mit seiner tödlichen Strahlung selbst Zeiträume großer geologischer Veränderungen. Die Erde ist ein sich selbst organisierendes lebendiges System und die Kontinente haben sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder verändert. Allenfalls könnte man von einem „Langzeitlager“ sprechen.
„…Es muss (vielmehr) eine gesellschaftliche Verständigung über das weitere Vorgehen mit allen radioaktiven Hinterlassenschaften erfolgen. Das vom Bundesministerium vorgelegte Endlagersuchgesetz muss unverzüglich ausgesetzt werden…“.
(zitiert aus: Ergebnisse der Atommüllkonferenz im Februar 2013 in Kassel, Nr. 3., Quelle: http://baak.anti-atom-bayern.de/start/news/?no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=212)
Vier Kriterien sind dabei wesentlich:
- Strahlungsüberwachung
- Zugänglichkeit
- Rückholbarkeit
- Keine oder kurze Transportwege des radioaktiven Materials
Die Verwüstung der Lebensräume und die lebensbedrohenden Gefahren können wir nicht mehr aus der Welt schaffen, aber wir können Schritte für Projekte und für die Umsetzung von Ideen einleiten, die die Information über Orte und radioaktive Strahlung im Bewusstsein künftiger Generationen halten können. Der Ausgang ist offen – wir werden den „Erfolg“ unserer Maßnahmen in unserer Lebensspanne nicht mehr messen können, die uns unmittelbar folgende Generation vermutlich ebenfalls nicht. Wir reden hier von einem Projekt für die kommenden mehr als 10.000 Generationen.
„Erfolg“ in unserem Sinne bekommt dadurch eine andere Bedeutung und kann definiert werden als „stete Absicht“ die Bedingungen für das Leben weiterhin zu ermöglichen. Wir öffnen uns damit Zeiträumen, die unser Wissen und unsere Glaubenssätze um die Zusammenhänge und das Wunder des Lebens weit übersteigen. Um die Verantwortung tragen zu können bedarf es neben theoretischem Wissen und praktischem Handeln vor allem einer starken inneren Kraft, die sich aus dem Wissen um die Verbundenheit im Netz des Lebens nährt. Diese Kraft gilt es immer wieder neu auszurichten im Sinne einer geistig-spirituellen Grundhaltung wie sie Ph. D. Joanna Macy, System- und Religionswissenschaftlerin aus den U.S.A. entwickelt hat. Sie findet ihren Ausdruck in einer „Ethik der nuklearen Wächterschaft“ (s. Anlage 3), auf der dieses Konzept basiert.
Ziel unseres Konzeptes ist die Weiterentwicklung der
„Wächterschaft von Atommüll“
die unabhängig von staatlichen und wirtschaftlichen Zwängen und Interessen agiert und zu deren Ausgestaltung Menschen aus allen notwendigen Kompetenzbereichen beitragen. Die Finanzierung eines solchen Konzeptes könnte über Spenden, Sponsoren und Stiftungsgelder erfolgen, mit dem Ziel mittelfristig die Verursacher und Betreiber zur Finanzierung zu verpflichten.
Grundbedingungen für eine Wächterschaft:
- Es werden Lagerstätten für Atommüll dort geschaffen, wo dieser anfällt. Ein Transport und die mit einem Transport verbundenen Gefahren werden dadurch auf ein Minimum reduziert. Das bedeutet, dass eine Vielzahl solcher Lagerstätten notwendig ist: Schätzungen aus dem Jahre 2010 gehen davon aus, dass weltweit bisher 300.000 Tonnen Atommüll angefallen sind und jährlich 12.000 Tonnen neu dazu kommen (World Nuclear Association); in Deutschland entstehen jährlich rund 450 Tonnen Atommüll neu.
- Die Lagerstätten sollen so konzipiert werden, dass jede Veränderung der radioaktiven Strahlung durch die Wächterinnen und Wächter mit Hilfe der technischen Einrichtungen sofort gemessen und notwendige Maßnahmen eingeleitet werden können (Strahlungsintensität).
- Die Lagerstätte soll jederzeit zugänglich sein, damit die Behältnisse je nach Bedarf ausgetauscht oder erneuert werden können – ein Castorbehälter hält rund 40 Jahre (Zugänglichkeit).
- Geologische und andere die Lagerstätte beeinflussende Faktoren, die zurzeit nicht vorhersehbar sind und die Gefahr beinhalten, dass die radioaktive Strahlung unkontrolliert freigesetzt wird, erfordern die Möglichkeit, die Behältnisse mit nuklearem Material in neue Lagerstätten an andere, sichere Orte zu transportieren (Rückholbarkeit).
- Es sind Evakuierungspläne für die Bevölkerung in der Nähe der Lagerstätten zu erstellen, damit im Notfall die Menschen die Gefahrenzone rechtzeitig verlassen können. Ihre Teilhabe ist in einem offenen transparenten Dialog zu jeder Zeit zu gewährleisten. Hierzu zählen insbesondere regelmäßiger Austausch und Informationen über die Risiken, Bedingungen und Veränderungen in den Lagerstätten sowie ihre Beteiligung an den notwendigen Planungs- und Entscheidungsprozessen.
Aufgaben und Praxis der Wächterschaft („HüterInnen des giftigen Feuers“):
Die Idee, den Atommüll bewachen zu wollen, wie es an manchen Orten bereits geschieht, mag verrückt klingen und vor allem für jene Aktivisten unter uns widersinnig erscheinen, die sich jahre- bzw. jahrzehntelang im Widerstand gegen Atomkraftwerke, den Transport von Castor-Transporten, gegen unterirdische Atommülllager, gegen die Stationierung von Atomraketen und den Einsatz von Atomwaffen zusammengeschlossen haben. Alle diese Formen von politischen Aktionen sind weiterhin unverzichtbar und stehen nicht im Widerspruch zu der Idee der Bewachung des vorhandenen und weiter entstehenden Atommülls. Hierzu gehören auch die Initiativen von Menschen, die jetzt in der Nähe von Lagerstätten wohnen und bereits heute „notgedrungen“ eine Form von Wächterschaft entwickelt haben, um ihren unmittelbaren Lebensraum zu schützen und zu erhalten.
Wie bereits erwähnt ist der Atommüll längst vorhanden und vermehrt sich jährlich um unvorstellbare Mengen. Deshalb ist eine unserer zentralen politischen Forderungen, die Produktion weiteren nuklearen Materials sofort einzustellen und alle Atomkraftwerke unverzüglich abzuschalten. Zusätzlich entsteht durch den Abbau der Atomanlagen weiterer hochgiftiger radioaktiver Müll.
Die Verantwortung für die Lagerung radioaktiven Mülls muss eine zivilgesellschaftliche Aufgabe sein, an der alle interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürger teilhaben können, einschließlich der Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft sowie von spirituellen LehrerInnen der verschiedenen Religionen und Kulturen. Die Verantwortung ausschließlich staatlichen Institutionen und wirtschaftlichen Organisationen zu überlassen halten wir nicht für förderlich, zumal wir nicht davon ausgehen, dass diese die langen Zeiträume über die eine Wächterschaft notwendig ist, überdauern werden.
Alle die Verantwortung für die Wächterschaft übernehmen und als HüterIn für Atommüll entsprechend ausgebildet werden wollen, sind willkommen und ausschließlich jenen „Ethischen Grundlagen“ verpflichtet, wie sie sich aus der Anlage 3 ergeben.
Schulung für die „HüterInnen des giftigen Feuers“:
„Ich bin in dieser Arbeit (The Work That Reconnects) zu der Einsicht gelangt, dass keine Gefahr so groß ist wie unsere Verdrängung. Jedes System lebt mit anderen Systemen im Austausch durch Rückkopplung. Jedes System, das seine Rückkopplungen blockiert, begeht unweigerlich Selbstmord.“
Ph.D. Joanna R. Macy
Ausgehend von diesem Zitat von Joanna Macy, dass keine Gefahr so groß ist wie unsere Verdrängung, ist es unerlässlich, die Gefährlichkeit radioaktiver Strahlung im Bewusstsein zu halten. Wir erinnern daran: Wir reden hier nicht von einigen Jahrzehnten oder von Zehntausenden von Jahren, sondern von mehr als Hunderttausenden von Jahren. Ein zu entwickelndes Schulungskonzept sollte neben anderen Inhalten vor allem diesem Tatbestand Rechnung tragen.
Inhalte für ein Schulungskonzept für Menschen, die bereit sind, die Wächterschaft freiwillig zu übernehmen, sogenannte „Studien-Aktions-Gruppen“, könnten sein:
- Entwicklung einer geistig-spirituellen Grundhaltung, die auf der Erkenntnis beruht, dass alles Leben miteinander verbunden und voneinander abhängig ist (s. Anlage 1)
- Möglichkeiten der Semiotik zur Weitergabe des Wissens über die Gefahren der tödlichen Strahlung nutzen (s. Anlage 2)
- Vermittlung notwendiger naturwissenschaftlicher, technischer und ökologisch-geologischer Kenntnisse z.B. über Fragen der chemisch-physikalischen Eigenschaften radioaktiven Materials, dessen Abbau und Lagerung und der radioaktiven Strahlung selbst
- Vermittlung medizinisch notwendiger Sofortmaßnahmen
- Methodische und didaktische Kenntnisse zur Weitergabe des Wissens (z.B. an Menschen, die sich für eine künftige Wächterschaft engagieren möchten)
- Einüben von gewaltlosen Widerstandsaktionen
In einem ersten Schritt könnte ein „Pilotprojekt“ für die Wächterschaft entwickelt werden. Die bereits erwähnte „Ethik der nuklearen Wächterschaft“ ist die Grundlage für dieses Pilotprojekt. Sie stellt sicher, dass der Prozess der „steten Absicht“ als Weg, unabhängig von der Erreichung des Zieles (das Wissen um verstrahlte Orte über Generationen zu erhalten) weiter gegangen wird.
Wenn wir die „stete Absicht“ zur Bewachung des Atommülls zu unserer Praxis machen, dann geht das nicht ohne zu hoffen, dass das was wir tun, dem Leben dient. Hoffnung verstehen wir dabei allerdings nicht als etwas, was wir uns von außen erhoffen – von einem höheren Wesen oder einer außerirdischen Macht – sondern entsteht, wenn wir aus unserer lähmenden Inaktivität zum Handeln gelangen („Active Hope“ – in Anlehnung an Joanna Macy). Die Schulung im Rahmen des Hütekonzepts für Atommüll soll uns alle ermutigen zu handelnden Personen zu werden.
Für die Realisierung des Pilotprojektes stellen wir uns eine unabhängige, legislaturübergreifene, dem Gemeinwohl dienende Organisation vor, die eine breite Unterstützung aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und von spirituellen LehrerInnen aus den verschiedensten Kulturen und Religionen erfährt.
„Der Bevölkerung sind dabei weitreichende substanzielle Mitbestimmung und Kontrollrechte einzuräumen, sowie rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten zu erhalten“.
(zitiert aus: Ergebnisse der Atommüllkonferenz im Februar 2013 in Kassel, Nr. 3., Quelle: http://baak.anti-atom-bayern.de/start/news/?no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=212)
Ideal wäre eine neue bzw. wieder entdeckte Form des gemeinschaftlichen Handelns bei dem der Umgang miteinander im Vordergrund steht – „Commoning“ – genannt (in etwa: etwas gemeinsam schaffen) - ein dem Gemeinwohl dienender sozialer Prozess ohne ein Herrschafts- oder Besitzdenken von Gütern oder geistigen Inhalten.
Dieses Konzept ist kein starres Gebilde. Vielmehr ist es Ausdruck eines „offenen Systems“ das nach den systemischen Grundsätzen von Selbstorganisation und „lebenslangem Lernen“ den jeweiligen Gegebenheiten und Erkenntnissen angepasst und damit verändert wird.
Wir schlagen vor, einen wissenschaftlichen Beirat zu gründen, der die Umsetzung des Pilotprojektes begleitet und beratende Funktion hat.
Bundesverfassungsgericht zur Endlagerung von Atommüll im Schacht Konrad
vom 10.11.2009 - 1 BvR 1178/07 – Auszug:
„Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG herzuleitende Schutzpflicht des Gesetzgebers steht solchen Vorschriften grundsätzlich nicht entgegen, die insoweit ein Restrisiko in Kauf nehmen, als sie Genehmigungen auch dann zulassen, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass künftig durch das Gebrauchmachen von der Genehmigung ein Schaden auftreten wird. Vom Gesetzgeber im Hinblick auf seine Schutzpflicht eine Regelung zu fordern, die mit absoluter Sicherheit Grundrechtsgefährdungen ausschließt, die aus der Zulassung technischer Anlagen und ihrem Betrieb möglicherweise entstehen können, hieße die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens verkennen und würde weithin jede staatliche Zulassung der Nutzung von Technik verbannen. Für die Gestaltung der Sozialordnung muss es insoweit mit Abschätzungen anhand praktischer Vernunft sein Bewenden haben. Ungewissheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft sind als unentrinnbare und insofern sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen…“
Wir freuen uns über Rückmeldungen und sind offen für vielfältige Formen der Diskussion und des Austausches, die für die Realisierung eines Pilotprojektes hilfreich sind!
Neuhausen ob Eck, November 2013 Barbara und Gunter Hamburger (siehe. www.holoninstitut.de)
Anmerkungen
Mehr zum “Wächterschaftsprojekt für Atommüll“ in englischer Sprache unter: http://joannamacy.net/nuclearguardianship.html
Zusätzlich zu dieser Projektidee wurde eine Power Point Präsentation (Titel: „HüterInnen des giftigen Feuers“) erstellt, die dazu motivieren soll, sich mit der Idee der Wächterschaft vertraut zu machen. Sie lädt auf fiktive, phantasievolle Art und Weise ein, als „PilgerIn“ eines in der Zukunft existenten Bewachungsortes auf unsere Zeit zurückzublicken, in der alles begann… (laden Sie uns ein – gerne begeben wir uns mit Ihnen auf eine Reise in eine visionäre Zukunft!)
Das ursprüngliche Konzept wurde 1990 in den USA von engagierten Menschen aus verschiedenen Wissensbereichen um Ph.D. Joanna Macy entwickelt und danach von der „Feuergruppe“ in Deutschland übernommen, die 1999 und 2005 zur Pilgerschaft an Atommülllagerstätten („Atompfade“) einlud. Unser Konzept ist eine völlig überarbeitete Neufassung und wurde in den letzten 2 ½ Jahren durch die Unterstützung verschiedener Personen u.a. der „Gesellschaft für angewandte Tiefenökologie e.V.“ in verschiedenen Zukunftswerkstätten, Workshops und Klausurtagungen, zuletzt im Juni 2013, erstellt. Wir danken allen Beteiligten für ihre zahlreichen Beiträge, ihre Rückmeldungen und ihre Kritik sowie ihre ergänzenden Ideen und Hinweise.